Meine Unterhaltung mit Sarah

Ich habe mich mit Sarah hingesetzt. Ihr kennt sie vielleicht aus den Bodyshape-Transformation Videos. Wir hatten bereits über das Thema Binge Eating geredet und weil viele darüber ein Video haben wollten ist sie jetzt extra aus Tübingen gekommen, um mit mir darüber zu reden. Sie hat auch schon ihre eigenen Erfahrungen damit gemacht.

Bedeutung Binge Eating

A: Hallo Sarah, schön, dass du hier bist. Was ist Binge Eating eigentlich? Kann man das überhaupt so sagen?

S: Ja, das kann man. Binge Eating ist eine Art Essstörung. Wenn man darunter leidet, dann hat man Fressattacken, man fängt mit einem Hapsen an und hat dann noch Appetit und irgendwann steigert es sich und man kann nicht mehr aufhören. Man hat dann auch wirklich irgendwann keinen Appetit mehr, sondern versucht eher Gefühle zu betäuben und es hat nichts mehr mit Genuss zu tun. Es ist auch wirklich etwas, was oft im Privaten und allein passiert. Bei mir war es so extrem, dass ich mich niemals in der Öffentlichkeit „geoutet“ hätte. Ich hatte auch viel Scham. Ich glaube, da geht es vielen so.

A: Ich glaube, das ist auch etwas, was man nicht so sagt, „Ich habe Binge Eating“, oder?

S: Ja, weil man weiß auch schwer wo die Grenze ist. Mal hat man sich nur was Kleines gegönnt und wann wird es dann wirklich zu einer Krankheit.

Ursache

A: Wann ist es bei dir eingetroffen? Hattest du eine schlechte Phase im Leben oder was war der Auslöser?

S: Ich habe eine Hormontherapie gemacht, weil ich 1,86 m groß bin und ich hätte noch 1,90 m groß werden sollen. Deshalb hatte ich mich mit 16 Jahren auch dafür entschieden, nicht zu groß zu werden. Mir wurde damals auch gesagt, dass Die meisten zwischen 15-20 kg bei so einer Therapie zunehmen. Vor der Therapie war ich sehr schlank, mit der Tendenz untergewichtig, vor allem wegen meiner Größe. Durch die Tabletten bin ich auch depressiv, ein völlig anderer Mensch geworden. Das war natürlich sehr schwierig und auch in einer schwierigen Phase in der Pubertät, wo man sowieso nicht weiß wer man ist. Dann ist es doppelt so hart.

A: War das dann der Einstieg?

S: Also ich habe von Haus aus schon immer auf mein Essen geachtet. Denn ich bin vom Typ her jemand, der nicht leicht schlank ist. Deshalb habe ich immer geguckt, dass ich nicht zu viel esse. Meine Familie wollte mir auch immer beibringen, wie man kontrolliert essen kann. Ich bin auch vom Typ her niemand, der schnell ein Sättigungsgefühl hat. Manche sind so und manche so. Bei mir war in dem Moment als ich wusste, dass ich eh durch die Therapie zunehmen werde, dass ich mir dachte ich kann mir eh mal was gönnen. Ich würde ja eh nicht mehr mein Gewicht halten können. Dadurch ließ ich mich öfter mal schleifen. Als ich dann auch mehr gegessen habe, haben meine Eltern schon komisch geguckt und dann wurde es mir auch langsam peinlich und dann habe ich angefangen heimlich zu essen.

A: Das ist auch ein wichtiger Schritt der bei vielen passiert, oder?

S: Genau, das Essen in der Öffentlichkeit wurde mir immer peinlicher. Je dicker ich wurde, umso weniger habe ich in der Öffentlichkeit gegessen und im Restaurant immer einen Salat bestellt. Zuhause wusste ich aber, wo die Speisekammer war und die habe ich dann auch mal gerne ausgeräumt. Darauf haben haben mich dann meine Eltern auch angesprochen. Da entwickelt man dann die typischen Ansätze einer Sucht. Süchte passieren ja auch oft im Heimlichen. Um es geheim zu halten habe ich angefangen nur noch kleine Teile zu essen. Zum Beispiel, wenn eine Kekspackung bereits angefangen war, dann habe ich nur eine Reihe weggegessen, damit man nicht sehen kann, wie viele wirklich weg ist.

A: Ist es dann auch so, dass man nach außen hin wirklich wenig isst, damit man nicht schief angeguckt wird?

S: Genau, also in der Öffentlichkeit wollte ich nicht so wirken. Schon während ich im Restaurant meinen Salat gegessen habe, dachte ich darüber nach, was ich Zuhause essen kann. Praktisch als Belohnung dafür, dass ich vor den anderen wenig gegessen habe. Weil es gibt wirklich viele tolle Sachen auf der Karte, und man selbst bestellt einen Salat. Nicht des Geschmacks wegen, sondern um eine bestimmte Wirkung bei den anderen zu erzielen.

Hilfe

A: Bei dir war es ja dann auch so weit dass du ärztliche Hilfe aufgesucht hast. Bringt das was, gibt es überhaupt Hilfe dafür?

S: Ja, schon. Wenn man selber sagt, man möchte rauskommen, dann muss man sich selbst erst richtig kennenlernen und das geht schneller mit Hilfe, als wenn man es alleine macht. Ich wollte es auf alle Fälle so schnell wie möglich los werden.

A: Und wen hast du dann aufgesucht? Einen Spezialisten, Psychologen…?

S: Genau, also ich bin ins Krankenhaus gegangen und hatte Glück zum passenden Zeitpunkt da einen Platz gefunden zu haben. Da gab es Psychologen, die mich in Gruppensitzungen betreut haben. Leider war ich die einzige mit Binge Eating, aber mit denen, die Bulimie hatten konnte ich mich ein bisschen austauschen.

A: Viele erkennen es aber noch nicht richtig als Krankheitsbild, oder?

S: Ja, dabei ist es die am häufigsten verbreitete Essstörung. Ich wusste es damals selbst noch nicht, wie ich mein Verhalten erklären sollte und hatte vorher auch noch nie davon gehört.

A: Ärzte sagen einem dann auch nicht „Sie haben Binge Eating“, oder?

S: Genau. Am Anfang wurde auch erstmal gesagt, dass es durch die Depressionen kommt. Bei mir war es aber anders herum und hat mit der Essstörung an sich begonnen.

A: Ich kenne dich und weiß, dass du jetzt wieder ganz normal isst. Das war aber ein langer Weg. Wie alt warst du bei der Aufnahme ins Krankhaus?

S: Da war ich 20 Jahre alt. Jetzt bin ich vor kurzem 23 Jahre alt geworden. Es ist also 2 Jahre her.

A: Ich glaube, was viele wissen wollen ist: Was hat dir am meisten geholfen? War es das Tracken vom Essen?

S: Also im Krankenhaus wurde das Tracken vom Essen gar nicht beachtet. Ich habe auch nur Krankenhaus-Essen bekommen. Das Tracken habe ich dann erst bei der Verhaltenstherapie gelernt.

Also, es gibt zwei Formen von Therapien:

1. Tiefenpsychologisch
Dabei habe ich mich besser kennengelernt und herausgefunden warum das Problem entstanden ist. Das war wichtig, weil nicht jeder der eine Hormon-Therapie ja automatisch eine Essstörung hat. Das hat mir auch geholfen und ich war danach nicht mehr depressiv.

2. Verhaltenspsychologisch:

Trotz der ersten Therapie blieb die Essstörung aber. Ich hatte Glück, dass es an meiner Universität in  Tübingen eine Forscherin gab, die im Bereich Binge Eating geforscht hat und sie hat eine Verhaltenstherapie entwickelt und Probanden gesucht, die daran teilnehmen. Ich habe mich dann dazu angemeldet und seitdem wurde es dann stetig besser.

A: Was hat dir bei der Therapie am meisten geholfen?

S: Das ist schwer zu sagen, weil es ja zwei Therapien waren und zwei Gründe hatte. Ich habe auch viele gesehen, die mehrmals die Therapie durchführen mussten. Bei mir hat im Endeffekt aber auch nicht nur eine der beiden Therapien gereicht.

A: Ich dachte immer, dass ein vorgefertigter Essensplan helfen würde, aber ich finde interessant, dass du meintest, dass das ja gar nicht so ist, oder?

S: Genau, in der Verhaltenstherapie konnte sich jeder auch aussuchen, was er gerne isst. Das fand ich sehr gut. Nichts mehr war wirklich verboten oder wurde einem vorgesetzt, wie damals im Krankenhaus. Da hat man sich wirklich vor Augen geführt, was man wirklich isst und ich musste dann auch kurze Fressattacken wieder aufschreiben. Dadurch sucht man dann auch selbst Rezepte raus. Ich finde Kalorienzählen ist zu Beginn nicht das Wichtigste. Für Menschen, die unter Binge Eating leiden ist es vielleicht ganz sinnvoll. Aber das Wichtigste, denke ich, ist dass man sich aufschreibt, was mann isst und eine Art Tagebuch führt.

A: Wenn man das dann sieht, dann ist das schon einiges, oder?

S: Ja, das war ein ganz schöner Prozess und es gab auch Tage, an denen ich 6000 bis 8000 kcal zu mir genommen habe. Das war mir aber beim Binge Eating egal, weil man ja dann auch nicht wählerisch ist.

A: Wie geht es dir heute?

S: Es geht mir gut, aber es wird immer Teil meines Lebens bleiben und ich werde darauf achten müssen, dass ich damit nicht mehr Probleme bekomme. Ich hatte 5 Jahre damit zu tun und es gab Zeiten, wo ich dachte „Ich komme da nie raus“, aber jetzt ist alles gut. Deswegen habe ich mich auch für das Bodyshape-Programm entschieden.

A: Wir finden es echt toll, dass du da so offen darüber redest, weil ich glaube, viele machen das sehr ungern und ich denke es gibt es auch viele Mädels die das Problem haben.

Ich hoffe Sarah konnte euch Einblicke in das Thema geben, wenn auch in sehr komprimierter Form, denn da gibt es noch viel dazu zu sagen. Deswegen finde ich es auch toll, dass Sarah sich getraut hat auch einen eigenen Kanal auf Youtube zu gründen, in dem es nicht nur um das Binge Eating geht, sondern auch um das gesunde Essen allgemein.

Sarah’s Kanal

Ich denke, ihr müsst da unbedingt vorbeischauen, wenn euch das Thema Gesundheit interessiert und sie stellt auch ihre Erfahrung mit dem Bodyshape-Programm dar. Wenn ihr ihre Geschichte mitverfolgen wollt, solltet ihr auf jeden Fall vorbeischauen. Endlich mal wieder ein Kanal, von Sachen die jemand selbst durchlebt hat.

Ich bedanke mich bei Sarah!

Zum Video von der Unterhaltung geht es hier.

Habt noch einen schönen Tag!

Eure Anne und Sarah